BERLIN – Was schön ist und was nicht – darüber lässt sich bekanntlich streiten. Ist die Nase des Popstars Michael Jackson nach unzähligen Schönheitsoperationen nicht am Ende viel hässlicher als in ihrer ursprünglichen Form? Immer mehr nimmt der Mensch in Kauf, um sich zu verschönern oder zu verjüngen. Gesamtstatistiken über kosmetische Operationen gibt es nicht. Auch deshalb, weil die Grenzen zwischen rein ästhetischen Eingriffen und solchen in Verbindung mit einer Krankheit verschwimmen. „Ließen sich vor zehn Jahren 100 000 Menschen im Jahr operieren, sind es jetzt ungefähr 700 000 bis 800 000“ in Deutschland, vermutet Detlef Witzel, Sekretär der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Die Eingriffe bedeuten Fettabsaugen, Änderung der Brustgröße, Gesichts-, Bauchdecken- oder Oberschenkelstraffung und Operationen am Gesicht wie zum Beispiel Nasen-, Lid- oder Kinnkorrekturen. „Dabei ist der Anteil der Männer drei Mal so groß wie vor zehn Jahren, und heutzutage wollen sich auch schon 16-Jährige ihre Brust vergrößern lassen“, weiß Witzel mit der Erfahrung aus seiner Berliner Praxis.
Zusätzlich zum chirurgischen Angebot kommt noch eine Vielfalt an „sanfteren“ Methoden: Faltenunterspritzung in immer neuen Varianten sei es mit Kollagen, Hyaluronsäure oder Eigenfett, der Glättung mittels Botulinumgift und Gesichtsverjüngung etwa mit dem CO2- oder Erbiumlaser oder auch per Säurebad und natürlich das Aufspritzen der Lippen. Die Liposuktion, zu Deutsch das Fettabsaugen, war bis vor kurzem noch der wichtigste Trend. Das Verfahren wurde durch den französischen Chirurgen Ives-Gérard Illouz entwickelt und international verbreitet. Durch einen kleinen Hautschnitt wird eine Kanüle in die Fettschicht geschoben. Um die Komplikationsrate zu ermitteln, hat VDÄPC-Präsidentin Constanze Neuhann-Lorenz insgesamt 15 000 Fettabsaugungen zwischen 1988 und 2000 überprüft. Bei etwa neun Prozent kam es zu Störungen der Berührungsempfindlichkeit, Einlagerung von Wasser in den Körper, Nachblutungen oder lang anhaltenden Schmerzzuständen. Schwer wiegende Begleiterscheinungen wie etwa Lungenembolien oder schwere Infektionen traten bei 0,1 Prozent aller Eingriffe auf. „Was die Sterberate angeht, müssen wir mit einem Todesfall auf 5000 Absaugungen rechnen“, so das Fazit der Ärztin.
Derzeit werde das Fettabsaugen von Platz eins der beliebtesten Eingriffe verdrängt, berichtet Neuhann-Lorenz weiter. Gesichtsoperationen wie zum Beispiel Nasenkorrekturen oder Straffung der Haut sowie Brustoperationen seien dagegen stärker im Kommen. Auch bei diesen Methoden kann es zu Komplikationen kommen. Bei der Brustvergrößerung droht die so genannte Kapselfibrose. Der Körper schließt das Implantat mit festem Bindegewebe ein. Es kommt zu Schmerzen, einer unschönen Brustverformung und dem Gefühl, einen Fremdkörper mit sich herumzutragen. Blutergüsse, Narben und Wundheilungsstörungen können bei allen Eingriffen auftreten.
Kritiker warnen, diese Art von Medizin mache sich zum Dienstboten ausufernden Schönheitswahns. Doch Ärzte, die tagtäglich mit dem Wunsch nach äußerlicher Veränderung konfrontiert werden, wehren sich gegen die vereinfachte Sicht der Dinge. Eine ästhetische Operation ist kein Eingriff, der auf den Körper beschränkt ist. Der Chirurg behandelt auch die Psyche. In vielen Fällen heißt das Problem: mangelndes Selbstbewusstsein.
aus: Die Welt