BERLIN – In vielen deutschen Unternehmen wird jetzt nach passenden Räumlichkeiten für umfangreiche Versuchsaufbauten gefahndet. Dringend gebraucht wird, etwa bei der Firma Bauknecht, ein großer Saal, in dem 1000 Frauen aufschreiben, was sie wünschen. Nebenan sitzen zeitgleich die Manager des Elektronikkonzerns und schreiben auf, was sie denn glauben, was die Frauen nebenan notieren. In einem Extrabüro gleicht anschließend ein EU-Beamter die Ergebnisse ab. Erst ab einer Zustimmungsquote von 80 Prozent wird folgender Werbeslogan genehmigt: „Bauknecht weiß, was Frauen wünschen.“
Grund für die hektischen Aktivitäten ist ein Vorschlag für eine EU-Werberichtlinie, nach der nicht nachprüfbare Werbeversprechen verboten werden würden. Im Ziel steht dabei die Lebensmittelindustrie, die Angaben wie „ballaststoffarm“, „vitaminreich“ oder „hält jung“ auch wissenschaftlich belegen soll. Die Abgrenzung zwischen erlaubten und verbotenen Slogans könne schwierig sein, räumt eine Sprecherin von Verbraucherschutzkommissar David Byrne ein. „Haribo macht Kinder froh“ etwa solle erlaubt bleiben.
Aber was passiert mit „Mars macht mobil“? Die durch den Genuss des Schokoriegels aufkeimenden Aktivitäten müssten in ganz genauen Praxisfeldern nachgewiesen werden, genauer: bei Arbeit, Sport und Spiel. Auch die deutschen Milchbauern brauchen jetzt dringend müde Männer zum wissenschaftlich belegten Muntermachen, vielleicht gibt es ja ein paar im EU-Parlament. Vor noch größeren Problemen steht der Energiedrink Red Bull, geflügelte Menschen jedenfalls sah man außerhalb der griechischen Mythologie eher selten.
Die deutschen Zeitungsverleger und die Werbeindustrie protestieren scharf gegen die Pläne und sprechen von Zensur. Vermutlich werden sie diesmal die meisten Politiker auf ihrer Seite haben. Denn alle wissen: Jede EU-Verordnung zieht beinahe zwangsläufig eine weitere nach sich, in der weitere Verbote ausgerufen werden. Wahlkampfaussagen müssten vermutlich als Nächstes auf den Prüfstand. „Mut zu Reformen“, „Die Rente ist sicher“, „Mit mir wird es keine höhere Neuverschuldung geben“ könnten dann nicht mehr so aus der Lameng ins Volk geworfen werden. Letztlich bliebe sämtlichen Parteien nur noch ein Slogan übrig: „Zukunft ist gut für uns alle.“
aus: DW