Athen - Zehntausende Einheimische und Urlauber sind auf griechischen Ferieninsel Kreta noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen. Am Dienstagabend bebte kurz vor Mitternacht dreißig Sekunden lang die Erde. Wie durch ein Wunder hat es weder Todesopfer noch Verletzte gegeben, sogar die Sachschäden sind erstaunlich gering ausgefallen. Obwohl der Erdstoß von Griechenlands Erdbebenexperten zunächst mit 6,1 und später mit 5,8 Punkten auf der Richterskala gemessen wurde. In Panik strömten die Menschen in Chania und in Heraklion, in Ierapetra und in Rethymnon, also an Orten, wo Hunderttausende Deutsche jedes Jahr ihre Ferien verbringen, auf die Straßen. Restaurants, Hotels, Kneipen und Tanzlokale leerten sich in Sekundenschnelle.
Vier ältere Menschen erlitten leichte Herzinfarkte. Für eine Stunde fiel das Fest- und Mobiltelefonnetz aus. Fast alle Menschen auf Kreta übernachteten im Freien - das Wetter war in diesen Tagen für diese Jahreszeit ungewöhnlich schön. In Griechenlands Süden wurden bis zu 30 Grad gemessen. Auch nach gewaltigen Regengüssen am Dienstag kühlte es kaum ab. Nach 13 Stunden gab das Athener Seismologische Institut Entwarnung.
Nach ersten Analysen der Experten gab es aus zwei Gründen nur wenige Schäden: Das Epizentrum des Erdbebens befand sich im Meergebiet etwa 120 Kilometer nördlich der Stadt Chania und 160 Kilometer nordwestlich von Heraklion. Weil es dazu noch in einer Tiefe von 36 bis 40 Kilometer unterhalb der Erdkruste vermutet wird, verpuffte seine Wirkung bevor es die Nordküste Kretas erreichte.
Einige Experten gehen seit Wochen davon aus, dass es zu einem „größeren Erdbeben“ in der südlichen Ägäis kommen würde, weil die im Erdbeben gefährdeten Griechenland besonders zahlreichen Mess-Stationen Hunderte von schwachen und mittleren Erdstößen als „Vorboten“ eines großen Bebens registriert hatten. Die Südägäis zählt zu den anfälligsten Regionen für Erdbeben weltweit. Nördlich von Kreta verläuft der sogenannte, etwa 1000 Kilometer lange „Griechische Bogen“, der bei Rhodos beginnt und in der Adria endet. Dort prallen die Erdplatten Afrikas und Europas aufeinander, deren Bewegungen oft zerstörerische Erdbeben auslösen. Überall in Griechenland wird deswegen nach besonders scharfen Richtlinien gebaut - vor allem in den Feriengebieten. Beim schlimmsten Erdbeben der letzten Jahre waren in Athen im September 1999 100 Menschen beim Einsturz von Fabrikhallen ums Leben gekommen.
DW